Interview

Schulen für die Zukunft bauen

Schule von innen mit Schülern

Als Partnerin der Schulbauoffensive realisiert die HOWOGE Schulen für das wachsende Berlin. Der junge Bereich Schulbau setzt auf Gebäude, die möglichst lange nutzbar bleiben. Der Schlüssel liegt in individuellen Entwürfen und intensiver Beteiligung. Mehr darüber berichten die Schulbau-Expert:innen Steffi Brunken, Imke Deden und Jens Wadle.

Warum hat die HOWOGE einen eigenen Bereich für Schulbau?

Jens Wadle: Als das Land Berlin die HOWOGE für diese tolle Aufgabe eingebunden hat, war uns sehr wichtig, dass die Geschäftsbereiche Wohnen und Schule voneinander getrennt sind. Es ist dem Land Berlin und der HOWOGE wichtig, dass sich Schulbau und Wohnungsbau voneinander abgrenzen. Wir haben mit Unterstützung aus dem Wohnungsbau dann eine starke Gruppe mit viel Kompetenz aufgestellt und wachsen hieraus kontinuierlich entsprechend der erforderlichen Kapazitäten. Schulbau ist ein enorm komplexer Bereich, weil hier sehr viele, teils unterschiedliche Interessen zu vereinbaren sind. Es spielen vielfältige Faktoren zusammen, über das Schulkonzept hinaus gibt es städtebauliche und landschaftsarchitektonische Fragen. Wenn wir uns als Bauherrin fragen, wie wir das nachhaltig angehen, müssen wir die Auswirkungen des Schulbaus auf das Quartier mitdenken und die Nutzungsdauer maximieren.

Steffi Brunken: Durch intensive Beteiligungsprozesse wollen wir sicherstellen, dass die Schule bestmöglich genutzt wird. Nicht nur jetzt, sondern auch mit Blick in die Zukunft.

Imke Deden: Das berücksichtigen wir bereits in der Entwurfsphase. Wir zielen immer auf einen individuellen Entwurf, der mit der Situation vor Ort und den Anforderungen aus dem Schulkonzept heraus umgeht. Wir nutzen hier Stärken aus der Erfahrung im Bau und zielen auf eine passgenaue Lösung für jede einzelne Schule.

Schulgebäude von innen mit einem Raum mit mehreren runden Tischen

Inwiefern bildet sich das Schulkonzept im Gebäude ab?

Steffi Brunken: Wir bauen für Berlin Compartmentschulen, das sogenannte Berliner Lern- und Teamhaus. Dahinter steht ein pädagogisches Konzept, das wie eine kleine Schule in der Großen funktioniert. Eine Schule besteht aus mehreren Compartments, in dem sich Klassenräume mit Teamräumen für Lehrende um ein Forum herum gruppieren. Die Schüler: innen eines Jahrgangs bleiben während der gesamten Schulzeit in ihrem Compartment und identifizieren sich damit.

Jens Wadle: Bei dem pädagogischen Konzept sollen sich Lehrkräfte und Schüler:innen nicht in der Gegenüberstellung treffen, sondern sich annähern und miteinander arbeiten. Dafür werden Gemeinschafts- und Rückzugsräume benötigt. Man muss die funktionalen Beziehungen sehen, die Lage der Räume zueinander und wie der pädagogische Alltag abläuft. Das neue Konzept bietet Flexibilität und Differenzierung.

Setzen Sie die Compartmentschule in jedem Projekt um?

Steffi Brunken: Das hängt davon ab, ob wir es mit einem Neubau oder einer Sanierung zu tun haben. Von unseren 30 Neubau- und Sanierungsvorhaben befinden sich derzeit 4 im Bau und 4 in der konkreten Planung. Bei Sanierungen haben wir natürlich nicht so ideale Voraussetzungen wie beim Neubau. Aber auch hier wollen wir Differenzierung ermöglichen. Dabei geht es um Fläche, die man anbietet und die man verschieden bespielen kann. Also wenn Räumlichkeiten eine Pädagogik unterstützen, die sowohl die Schüler:innen als Gruppe denkt, als auch die Möglichkeit der differenzierten Einzelförderung bietet. So unterstützt die Raumgestaltung eine inklusive Pädagogik. Bei Bestandsgebäuden zeigen wir Möglichkeiten auf, die gegebene Fläche nach dem Konzept bestmöglich zu nutzen. Dann ist zu bedenken, dass die neuen Schulen auch Räume fürs Quartier, Sporthallen für Vereinsnutzung sowie Fachräume und teils auch Werkstätten anbieten.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit dabei?

Jens Wadle: Viele der bautechnischen Aspekte der Nachhaltigkeit sind ohnehin Vorgaben, die wir erfüllen. So werden alle Schulen das BNB Silber Zertifikat erfüllen. Das beinhaltet Vorgaben zu Material, Beschaffung und zu nachhaltigem Bauen allgemein. Die Themen Flächenversiegelung und Lebenszyklusbetrachtung spielen eine Rolle, ebenso Heizsysteme, Himmelsausrichtung und wie die Gebäude im Städtebau zur Lärmabschirmung reagieren. Teils verkleiden wir mit einer Holzhybridverkleidung und versehen die Neubauten mit begrünten Retentionsdächern, immer sind Photovoltaikanlagen vorgesehen.

Steffi Brunken: Uns bewegt darüber hinaus auch die soziale Nachhaltigkeit. Die Schule soll lange nutzbar sein. Das spiegelt sich auch in unseren intensiven Projektfindungsphasen, die zwei bis drei Jahre dauern können. Dabei sind Architekturwettbewerbe und die Einbindung vieler Sichtweisen im Partizipationsprozess und die sogenannten Sachverständigentage für uns sehr wichtig. Nur so können wir alle Interessengruppen mitnehmen und ihre Rückmeldungen in die Entscheidungen einfließen lassen oder abwägen.

Außenansicht der Schule Allee der Kosmonauten

Was ist besser, serielles Bauen oder individueller Entwurf?

Steffi Brunken: Wir denken das zusammen. Serielles Bauen und Typenbau bieten viele Vorzüge. Indem wir Bauelemente reduzieren, bauen wir ressourcenschonender und damit wiederum nachhaltiger. Die Schule in der Allee der Kosmonauten basiert beispielsweise auf modularen Ansätzen mit vorgefertigten Bauteilen. Gleichzeitig basiert sie auf einem individuellen Entwurf.

 

Warum dauert die Findungsphase so lange im Vergleich zum Bau?

Jens Wadle: Wir haben mit einer Schule nicht nur einen Funktionsbau zu errichten. Es geht um ein Gebäude, das Inklusion und Mehrdimensionalität berücksichtigt. Es soll unterschiedlichste Interessen von der Bezirksverwaltung bis zur Anwohnerschaft vereinen und hat ganz klar eine städtebauliche Funktion. Die Findungsphase beginnt daher mit Grundlagenermittlung und Partizipationsverfahren. Denn es bestehen immer Zielkonflikte.

Wie unterscheidet sich das Vorgehen bei Neubau von Sanierungen?

Steffi Brunken: Bei der Sanierung ist es von Haus aus eine intensivere Partizipation. Denn wir haben Nutzer:innen direkt in den Gebäuden, die wir umstrukturieren wollen. An die Schulgemeinschaft stellen wir die Frage: Wie wollt ihr die Schule in Zukunft nutzen? Wenn wir im Zuge der Sanierung Defizite beheben, verbessern wir auch den Schulalltag.

Die Partizipation beim Heinrich-Hertz Gymnasium gilt als besonders gelungen, warum?

Steffi Brunken: Dort haben wir eine für ein Neubauprojekt sehr intensive Partizipation umgesetzt. Es war schließlich eine Herausforderung, für diese bestehende Schule einen Neubau zu errichten. Sie ist naturwissenschaftlich geprägt und verfolgt ein pädagogisches Ziel mit hohem Anspruch. In dem denkmalgeschützten Gebäude fühlte die Gemeinschaft sich wohl, sie war im Quartier vernetzt. Und dann sollen sie ausziehen, auf ein kleineres Grundstück gehen, die Sporthalle auslagern. Es war anfangs wahnsinnig schwierig. Aber wir haben es durch dieses Verfahren und den Vertrauensaufbau geschafft.

Imke Deden: Am Ende waren sie alle stolz auf das Ergebnis. Während des Prozesses hat die Gemeinschaft erreicht, die Compartments nicht nach Jahrgängen, sondern fachbezogen aufzubauen. Sie freuen sich auf das neue Gebäude an einem Ort, der heute noch ein Nicht-Ort ist, der noch keinen Kiez hat. Das war unser Ziel und wir haben es erreicht.

Zur Dokumentation des Partizipationsverfahrens beim Heinrich-Hertz Gymnasiums

Ansicht Schule

Wo sieht man den individuellen Ansatz besonders gut?

Imke Deden: Beispielsweise bei der Schule Am Breiten Luch in Neu-Hohenschönhausen. Das sehr kompakte Grundstück befindet sich in Sichtweite zum S-Bahn-Ring und zu einer vierspurigen Straße mit einer Straßenbahntrasse. Im Entwurf haben wir eine sehr gute Lösung gefunden. Die Sporthalle wehrt Lärmemissionen ab, ebenso die Lärmschutzwand um den nun ruhigen Schulhof. Auch die knappen Außenflächen wurden differenziert gestaltet.

Steffi Brunken: In der ISS Eisenacher in Tempelhof-Schöneberg gibt es ebenfalls niedrigschwelligen Zugang zwischen Freiflächen und Gebäuden. Die Eingangstür sieht man erst nicht. Hier können die 600 bis 800 Schüler:innen ankommen und werden auf das Grundstück geleitet, bevor sie ins Gebäude gehen. Das heißt, sie haben vor und nach dem Schulalltag Raum, um sich aufzuhalten. Für den Schulsport gibt es eine Doppelsporthalle und eine benachbarte Anlage kann mitgenutzt werden.

Wie kommen Sie bei so unterschiedlichen Ausgangslagen zum Ziel?

Jens Wadle: Uns geht es nicht nur darum, schnell Schulplätze zu schaffen. Mit der Digitalisierung sehen wir enormen Wandel - wie wollen wir heute wissen, wie Schule in 10 Jahren ablaufen wird? Die Schulgebäude, die wir entwickeln, müssen diese Flexibilität aus ihrer Grundstruktur mitbringen. Das geht auch wieder mit Nachhaltigkeit zusammen, wenn wir nicht abreißen und neu bauen, sondern für weit in die Zukunft planen. Wir setzen hier an mit flexiblen Gebäudestrukturen, die möglichst offen sind für Umbauten und sich ändernde Nutzungen. Auch aus diesem Grund setzen wir uns für individuelle Entwürfe ein.

In diesen Handlungsfeldern engagiert sich die HOWOGE